Ways of Seeing Abstraction:
Tobias Rehberger, Ohne Titel, 2000

Abstraktion, darunter verstehen die meisten Menschen noch immer eine Konzentration auf die Form. Eine Kunststr�mung, mit der �sthetische Ideen, Ordnungen, philosophische Ideen oder innere Gef�hle zum Ausdruck gebracht werden k�nnen – die aber mit der allt�glichen Lebenswirklichkeit nicht viel zu tun hat. Doch gerade in von Krisen gekennzeichneten Zeiten werden auch von der Kunst Relevanz und Dringlichkeit erwartet, eine Aussage zu aktuellen gesellschaftlichen Themen. K�nstlerisches Engagement vermittelt sich dabei heute nicht ausschlie�lich durch klare visuelle Botschaften und Inhalte – sondern immer mehr auch durch die Abstraktion. Gerade f�r j�ngere Generationen ist die gegenstandslose Kunst das Mittel der Wahl, um Politik, Religion oder soziale Fragen zu thematisieren. Mit Werken aus der Sammlung Deutsche Bank unternimmt die Ausstellung „Ways of Seeing Abstraction“ im PalaisPopulaire eine durchaus subjektive Bestandsaufnahme der internationalen Abstraktion von der Nachkriegsmoderne bis in die j�ngste Gegenwart – und dokumentiert die Vielfalt und Diskursivit�t, die sich hinter der Idee der gegenstandslosen, „reinen“ Form verbirgt. Anl�sslich der Schau zeigen wir Ihnen in unserer Serie Arbeiten von K�nstler*innen, die Abstraktion eigenwillig nutzen und auf neue Weise definieren.


Tobias Rehberger, Ohne Titel, 2000
� Tobias Rehberger


Die ornamentalen Streifen mit den goldgelben Punkten lassen an Abstraktionen der anbrechenden Moderne denken, an abgespeckte Versionen der Wiener Werkst�tte und Art d�co. Sie wirken aber auch wie ein Nachhall der Pop-Tapeten, die in den 1970er-Jahren in Wohnungsfluren klebten. Dort, wo sonst ein Spiegel prangt, h�ngt hier ein fein s�uberlich gerahmter handgemalter Ausschnitt der Tapete - ein Bild im Bild. Immer wieder lotet Tobias Rehberger die Grenzen zwischen Malerei und Design aus, hinterfragt die Regeln und Rituale der Kunstproduktion und des Marktes.

So auch mit diesem Fr�hwerk, mit dem er auf die Rolle des K�nstlers als Dekorateur und Inneneinrichter anspielt. Warum bleibt die Tapete ein Gebrauchsobjekt, w�hrend ihr gerahmter Ausschnitt als bildende Kunst fetischisiert wird? Bereits hier entwickelt der St�delsch�ler und Student von Martin Kippenberger und Thomas Bayrle Strategien, um ganze R�ume mit reproduzierbarem Design zu gestalten, und kommentiert dies folgenderma�en: „Diese Form der Wandmalerei l�sst sich auch 500 Jahre nach meinem Tod noch machen.“ 2009 gewinnt er auf der Biennale in Venedig den Goldenen L�wen f�r seine Gestaltung einer Cafeteria, ein geometrisch-flirrender Raum, den er mit den Streifen und Punkten eines Camouflage-Musters der britischen Marine aus dem Ersten Weltkrieg tapeziert: Op Art als Kriegswaffe. Rehberger gelingt es, den Betrachter in das Kunstwerk hineinzuziehen – und in die Widerspr�che der Kunst zu verwickeln.